Licht im Garten, Bild von Kosti Keistinen auf Pixabay

Es werde dunkel

Brennende Lampen in Wohnungen, Lichterketten im Garten, Strassenlaternen – Flora und Fauna leiden unter solcher (Dauer-)Beleuchtung. Wo die Forschung steht und wie Sie mit dem Licht richtig haushalten.

Von Atlant Bieri

(Dieser Artikel wurde in der Juli/August-Ausgabe 2024 der Zeitschrift «Bioterra» publiziert.)

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Wer diesen Sommer zum Nachthimmel hochschaut, wird sich unweigerlich fragen: Waren da nicht einmal mehr Sterne zu sehen? Die Antwort ist: Ja. Der Sternenschwund liegt daran, dass der Nachthimmel jedes Jahr um rund zehn Prozent heller wird. Man nennt das Lichtverschmutzung. In der Wissenschaft wird das Phänomen als ALAN bezeichnet – «Artificial Light at Night» – übersetzt künstliches Licht bei Nacht. Es ist jenes Licht, das von Dörfern und Städten abstrahlt und den Himmel, aber auch Strassenränder, Gärten, Hecken, Waldränder und die Ufer von Gewässern erhellt. Und die Sichtbarkeit der Sterne verringert. 

Das liest sich harmlos, aber aktuelle Forschungen zeigen, dass Hunderte von Arten darunter leiden. Strassenlaternen, Wegbeleuchtungen, Lichterketten im Garten und sogar das Licht aus unseren Wohnungen können Insektenpopulationen schrumpfen lassen, Vogelschwärme dezimieren, und es hat selbst auf das Plankton in Gewässern einen negativen Einfluss.

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Tipps für weniger Licht in Haus und Garten

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Es gibt einiges, was im privaten Bereich gemacht werden kann. Nachfolgend, wie Sie Ihren Beitrag leisten können:

Richtung: Vermeiden Sie Licht nach oben oder in der Waagerechten. Denn es verschmutzt einen sehr grossen Raum. Am besten sind Lampen mit Lampenschirm, die das Licht nach unten auf den Boden leiten. Das gilt insbesondere für Weg- oder Platzbeleuchtungen. Diese sollten kein Rundumstrahler sein, sondern nur den Boden erhellen. 

Stärke: Je heller das Licht, desto grösser seine Blendung und die Sichtweite. Darum ist es wichtig, die Lichtstärke so tief wie möglich zu halten, beispielsweise mit einer dimmbaren Aussenbeleuchtung oder mit einer Bienenwachskerze im Glas. 

Dauer: Die Beleuchtung nur so lange verwenden, wie sie tatsächlich gebraucht wird. Allenfalls Bewegungsmelder installieren. Schalten Sie während der Nachtruhezeit zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens die unnötige Beleuchtung aus. 

Menge: Den Garten mit LED-Stecklampen zu pflastern, ist definitiv tabu. Dasselbe gilt für jegliche Zier- und Partybeleuchtung (ausser kurzfristig fürs Feiern). Auch die Intensität der Beleuchtungen ist entscheidend. Es gilt: Je schwächer, desto besser. Fragen Sie sich also, wo es wirklich Licht braucht, etwa zum Lesen oder um den Grill zu bedienen. Und bringen Sie nur an diesen Punkten Leuchtmittel an. 

Farbtemperatur: Jedes Leuchtmittel besitzt eine sogenannte Farbtemperatur, die in Kelvin gemessen wird. Kühle Farben wie Blau (ab 8000 Kelvin) werden von fast allen Tiergruppen gut gesehen. Warme Farbtöne (ab 2200 Kelvin und tiefer) sind für sie hingegen weniger gut sichtbar. Darum sollten im Garten nur Lampen mit warmem Licht eingesetzt werden.

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Malve, Bild von NoName_13 auf Pixabay
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Malve, Bild von NoName_13 auf Pixabay

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Auswirkungen auf Artengruppen

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ALAN gibt es bereits seit 140 Jahren, seit die ersten Städte elektrifiziert wurden. Mit dem zunehmenden Städtewachstum wird es mehr und mehr ein Problem für Tiere und Pflanzen. «Der Wechsel von Tag zu Nacht und wieder zu Tag ist einer der wichtigsten natürlichen Zeitgeber in der Natur. Wenn wir die Nacht zum Tag machen, dann verlieren Tiere und Pflanzen ihr Zeitgefühl », sagt Eva Knop, Biologin an der Universität Zürich und bei Agroscope. Sie forscht seit über zehn Jahren zur Lichtverschmutzung. 

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In ihrem Fokus stehen nicht nur die Auswirkungen auf einzelne Arten, sondern auch der Einfluss auf das Zusammenspiel zwischen verschiedenen Artengruppen wie etwa Pflanzen und Bestäubern. Zurzeit führt sie unter anderem eine Studie an Malven durch. Hier kann es aufgrund von ALAN zu grossen Veränderungen kommen. Dies vor allem zum Nachteil für die beliebte Gartenpflanze: Malven öffnen ihre Blüten in der Regel mit dem Tagesanbruch. Doch durch die Lichtverschmutzung beginnt der Tag schon ein paar Stunden vor Sonnenaufgang und hört erst viele Stunden nach Sonnenuntergang auf. «Das hat zur Folge, dass die Malven ihre Blüten öffnen, obwohl noch gar keine Bestäuber da sind. Damit ist der natürliche Rhythmus ausser Kraft gesetzt.» Eva Knop vermutet, dass das für die Pflanze zum Problem werden könnte. Denn sobald die Blüte offen steht, machen sich Fressfeinde wie Käfer über sie her. Je länger sie geöffnet ist, desto grösser ist die Zerstörung. Dadurch wird die Samenproduktion verringert und insgesamt sinkt der Fortpflanzungserfolg der Malve; so zumindest die Hypothese. Ähnliche Untersuchungen führt Eva Knop zurzeit unter anderem an Wiesenklee, Lichtnelken, Wiesen-Flockenblume und Wiesen-Margerite durch.

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Staubsauger-Effekt

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Leuchtmittel haben auch Auswirkungen auf die Fortpflanzung von Tieren. In den Niederlanden haben Forschende der Universität Wageningen Laternen in verschiedenen Naturräumen aufgestellt, um den Effekt der Lichtverschmutzung auf Nachtfalter zu messen. «Laternen locken die Nachtfalter an», so der Ökologe Roy van Grunsven, Hauptautor der Studie. «Es kommt zum sogenannten Staubsauger-Effekt.» Das heisst: Licht lockt oder eben «saugt» die Nachtfalter aus der Umgebung an. Bei der Laterne warten dann Fressfeinde wie Spinnen oder Fledermäuse. Das bedeutet, dass viele Falter sterben und ihre Zahl lokal abnimmt. Dabei ist es vor allem die Langzeitwirkung, die den Faltern zusetzt. «Im ersten und zweiten Jahr gab es noch keine Auswirkungen auf die Populationen. Aber ab dem dritten Jahr sanken diese um bis zu 15 Prozent», resümiert Roy van Grunsven. Ob und wie längerfristig Käfer und Fledermäuse wegen dieses Futtermangels ebenfalls leiden, weiss man noch nicht. Was aber feststeht: Vögel sind ebenfalls vom Staubsauger-Effekt betroffen – allerdings in einem etwas grösseren Massstab. Fliegt ein Schwarm von Zugvögeln nachts an einer Stadt vorbei, kann dieser von den hell erleuchteten Fassaden angezogen werden. Sie werden zu Todesfallen. In Chicago starben im Oktober 2023 in einer einzigen Nacht rund tausend Zugvögel, als sie mit voller Wucht gegen die von innen beleuchtete Glasfront eines Tagungszentrums flogen. Warum Vögel genau wie Nachtfalter vom Licht angezogen oder von ihm desorientiert werden, ist für die Wissenschaft noch ein Rätsel.

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Leben im Wasser

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Lichtverschmutzung betrifft auch Lebewesen in Gewässern wie Flüssen und Seen. In ihnen leben rund zehn Prozent aller Arten weltweit. Das Problem: Menschen haben ihre Siedlungen schon immer in der Nähe von Wasser errichtet. Darum lebt heute über die Hälfte der Menschheit nicht weiter als drei Kilometer von einem Gewässer entfernt. Die einhergehende Lichtverschmutzung kann ganze Nahrungsnetze verändern und die Artenzusammensetzung in unseren Gewässern verschieben. Das zeigt sich am Beispiel des tierischen Planktons. Es sinkt während des Tages in tiefere und dunklere Stellen des Gewässers ab, um seinen Fressfeinden zu entkommen. In der Nacht kommt es nach oben, um sich dort von Algen zu ernähren. Doch wenn die Nacht künstlich erhellt wird, fällt die Schutzfunktion der Dunkelheit weg, und die Fressfeinde machen sich ungehindert über das Plankton her. In der Folge kann es lokal zu einem Zusammenbruch des Planktons kommen, was sich auf das gesamte Nahrungsnetz im Wasser auswirkt.

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Populationsrückgang

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Am besten untersucht sind die Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf Leuchtkäfer. «Sie sind auf Lichtsignale angewiesen, um ihre Partner zu finden. Zu viel künstliches Licht in der Nacht beeinträchtigt ihre Balz und ihre Paarung», weiss Sara Lewis, emeritierte Ökologin an der Tufts-Universität in den USA. Beim europäischen Glühwürmchen, das zuweilen sogar in unseren Gärten anzutreffen ist, leuchten die Weibchen mehrere Stunden lang, um herumfliegende Männchen anzulocken. «Doch selbst bei relativ schwachem künstlichem Licht wird es für die Männchen schwieriger, die leuchtenden Weibchen zu finden. Das verringert die Chance auf eine erfolgreiche Paarung. In der Folge gehen die Populationen zurück», erklärt Sara Lewis. Bei mehreren US-amerikanischen Glühwürmchen-Arten haben Labor- und Feldstudien gezeigt, dass künstliches Licht das Blinken sowohl der Männchen als auch der Weibchen reduziert, was ebenfalls den Paarungserfolg verringert. 

So klar wie bei den Leuchtkäfern ist das Bild momentan noch bei den wenigsten Artengruppen. «Wir wissen nicht genug über die Lichtverschmutzung, um die tatsächlichen Auswirkungen auf die Populationen abschätzen zu können», erklärt Roy van Grunsven. Es fehlen die grossen Vergleichsstudien über alle Artengruppen hinaus. Nur sie können das komplette Bild aufzeigen. «Die meisten Tiere reagieren auf Lichtverschmutzung, aber je nach Art sind sie mehr oder weniger empfindlich. Ebenso gibt es Unterschiede bei den Lebensräumen wie Wald, offenes Grasland oder Gewässer», führt seine Forscherkollegin Eva Knop aus. «Wir müssen in der Forschung dringend einen Schritt weiterkommen. Erst dann können wir spezifische Empfehlungen für die Gesetzgebung machen. » Die heutigen seien sehr allgemein gehalten (siehe Infobox oben) und greifen noch zu wenig bei einzelnen Artengruppen und Lebensräumen.

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Zähe Umsetzung

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Im Eigenheim oder auf Gemeindeebene könnte man diese zwar bereits umsetzen, doch sie sind noch nicht im Bewusstsein der Öffentlichkeit angekommen, weiss Lukas Schuler, Geschäftsstellenleiter des Vereins Dark Sky Switzerland. Er setzt sich seit 24 Jahren für mehr Dunkelheit während der Nacht ein. Ein Problem sei schlicht mangelndes Wissen. «Nicht alle Gemeinden verfügen über das Know-how und die Mittel, mit professionellen Planern zusammenzuarbeiten.» 

Bequemlichkeit sei ein weiterer Grund für die fehlende Umsetzung auf kommunaler Ebene. «Eine kleine Gemeinde hat wenig Interesse, ihre gewohnten Lieferantenwege zu wechseln oder eine Ausschreibung bei der Beschaffung zu machen, weil vieles durch Gewohnheiten vorgespurt ist», so Lukas Schuler weiter. Sprich, neue Strassenlaternen mit wenig Streulicht haben einen schweren Stand. «Dabei könnten Gemeinden im Bereich Beleuchtung Energieeinsparungen von bis zu 90 Prozent machen, würden sie auf zeitgemässe Leuchtmittel umrüsten.» 

Immerhin hat das Thema Lichtverschmutzung vor elf Jahren in das Schweizer Bauwesen Eingang gefunden. Mit der Baunorm SIA 491 unter dem Titel «Vermeidung unnötiger Lichtemissionen im Aussenraum» wurde eine Art Nachtruhe für Licht gesetzlich eingeführt. Diese gilt von 22 Uhr abends bis 6 Uhr am nächsten Morgen. «In dieser Zeit müssen Zierlichter wie Lichterketten oder Fassadenbeleuchtungen ausgeschaltet sein. Sind es Sicherheitslichter, sollen sie in der Nachtruhezeit nur einschalten, wenn jemand da ist», erläutert Lukas Schuler weiter. Einige wenige Leuchtmittel sind zudem gar nicht mehr zulässig. Dazu gehören beispielsweise Flutlichter, die an der Hausfassade oder in Bodennähe angebracht sind. Die Norm wird gerade überarbeitet. In etwa zwei Jahren soll es eine neue Fassung geben. «Dann könnten vielleicht auch Natrium-, Fluoreszenz- und Halogenlampen verschwinden», hofft Schuler.

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